visualloopgenerator.html
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Zusammenfassung:
Der „Visual Loopgenerator“ wurde ursprünglich für das Stück Dw6a entwickelt und dort zum ersten Mal live eingesetzt. Eine weitere Verwendung fand er in DW5 (Kopenhagen Version) und letztlich in der neuesten Entwicklungsstufe in V-Trike, uraufgeführt im Kaaitheater Brüssel, Februar 2007. Die damit verbundenen Aspekte und Implementationen dieser Technologie werden hier beschrieben.
Entstehung
Die Entwicklung des Loopgenerator für Audio-Loops geht auf das ästhetische Grundprinzip der Differenz/Wiederholung zurück, welches Bernhard Lang für all seine Werke aus dem gleichnamigen Zyklus verwendet hat. In der Folge wurde dieses Prinzip um das Medium Video erweitert. Der Ausgangspunkt war, die Verarbeitung der Audiosignale durch die Live-Elektronik zu visualisieren. Es zeigte sich dabei, dass mit diesen Visualisierungen eine eigene Ästhetik verbunden war. Es sollte anfänglich der Musik nichts hinzugefügt, sondern die Rezeption verbessert und verstärkt werden. So entwickelte sich diese Technik zu einer zusätzlichen und eigenständigen dialogischen Ebene der Rezeption.
Das ästhetische Prinzip der Visualisierungen von Loops kann auf Martin Arnolds Videokunst1 zurückgeführt werden. Damit schloss sich ein Kreis in Lang's Werken, denn schon vor der Serie „Differenz und Wiederholung“ gab es zwei auf dem „Prinzip granularer Wiederholungen“ basierende Werke, ein computergeneriertes „Hommage à Martin Arnold 1“ 19962, und ein Orchesterwerk „Hommage à Martin Arnold 2.“ Parallel dazu wurde in Bernhards Lang „Theater der Wiederholungen“3 mit einer Choreographie und szenischen Konzeption von Xavier Le Roy, das Element der differenten Wiederholung auf Bewegungen der MusikerInnen angewandt.
Das intensive Interesse an der Erforschung von Differenter Wiederholung verband auch Bernhard Lang mit Choreographin Christine Gaigg und führte zum Werkserie „Trike“3. Mit Methoden des „Looping“ und „scratching“ in der Bewegung, versucht sie mit immer kleineren Bewegungseinheiten neue Aspekte darin zu entdecken und so das tänzerische Material in dynamischen Verschiebungen neu erfahrbar zu machen.
Beim Einsatz des „Visual Loopgenerator“ ergeben sich jedoch noch zusätzlich neue Perspektiven, die Anordnung der Kamera, dem Spiel mit dem Betrachter-Blickpunkt, die Farbgebung, die Detailtreue, die Positionierung und Skalierung der Projektion, das Timing (vor allem bei Improvisationen), usw.
Hier wurden 2004 schon erste Experimente mit einem ersten Prototyp des „Visual Loopgenerator am IEM gemacht, schlussendlich jedoch für „Trike summer“ verworfen, da die Verdoppelung der Schauspieler im Video eine neue Herangehensweise und ein neues Konzept erforderte. Dafür wurde dann 2006 das Stück V-Trike entwickelt und am 2.Februar 2007 im Kaaitheater im Brüssel uraufgeführt.
In Abbildung 1 wird der Einsatz von Loopgeneratoren in den Werken Differenz-Wiederholung (DW1-DW11) und Trike bis 2006 dargestellt. Dabei wurde das der Audio-Loopgenerator zusätzlich zu den in der Grafik eingezeichneten Einsätzen in Improvisationen und bei Live-Acts mit Laleloo und dem VLO eingesetzt. Die Band LaLeLoo (Bernhard Lang, Robert Lepenik, Edda Strobl) ist ein elektronisches Improvisationstrio, das ausschließlich mit verschiedenen Arten von loops und mit vor aufgezeichneten Videoloops arbeitet. Das Ensemble VLO, Vienna Loop Orchestra, ein fünfköpfiges Improvisationsensemble, das sowohl live gespielte Instrumente (e-flöte, e-violine, e-gitarre) wie auch Computer, Sampler und Delays einsetzt4.
Zur Ästhetik des visuellen Loops
Ästhetik in der visuellen Kunst bezieht sich auf eine Gruppe verschiedener Werte und Prinzipien: spezifischer Charakter, Klarheit, Wiederholung (Bestand). Diese Definition der Ästhetik findet sich vor allem in der Postmoderne in Bereich Architektur und Musik. Einfache Wiederholungen wie Symmetrie, Spiegelung sind also ein ästhetisches Grundprinzip, wobei Symmetrie ein Ziel, eine Idee oder Konzept ist und die Spiegelung eine „eins zu eins Transformation“, eine Abbildungsvorschrift.
Wird nun versucht Analogien zu den Wiederholungen in der Musik zu finden, so ergibt sich ein wesentlicher Aspekt, das Fehlen der Zeitachse bei der visuellen Darstellung. In der Zeit gibt es jedoch keine Symmetrie, sondern nur Wiederholung, denn irgendwas kommt immer zuerst und jede Wiederholung ist ein Wiedererkennen oder auch eine Art Erinnerung. Wiederholung in der Musik oder im Film bedeutet „sich selbst zitieren“. Damit ergeben sich zwischen Video und Musik mehr gemeinsame Aspekte als zwischen Video und bildender Kunst oder Architektur.
Der Einsatz von Live-Elektronik im Video-Bereich bedingt damit eine gleichzeitige Anwendung des Konzepts von Symmetrie und Wiederholung, der Verdoppelung des Realraumes im virtuellen Raum der Projektion, das Zitieren aus eigenen Bewegungen und das Erinnern an Positionen und Bilder. Diese Überlegungen wurden der Entwicklung des „Visual Loopgenerator“ zu Grunde gelegt.
Die Entwicklung des eingesetzten Tanzstils wird von Christine Gaigg folgendermaßen beschrieben5(Zusammenfassung):
Der experimentelle Filmemacher Peter Kubelka, dessen "metric films" aus den 50er Jahren war einflussgebend auf die nächste Generation von Filmemacher unter anderem Martin Arnold. Genauso war Martins Arnolds Werke einflussgeben auf das kompositiorische Schaffen von Bernhard Lang. Als Choreograph arbeite ich mit Bernhard Lang zusammen und hatte vorher schon mit Peter Kubelka gearbeitet und war von Martin Arnold inspiriert. [...] Allem gemein ist ein gemeinsamer Zugang zu Bewegung und Auflösung dessen in kleinen Einheiten. Dabei ergeben sich für die physischen, musikalischen und filmischen Anwendungen gemeinsame Aspekte. [...] Mit V-Trike wird ein Statement zur fundamentalen oder auch weiterführenden Natur der von Wiederholung und Differenz gemacht.
Die Übertragung erfolgt jedoch nicht immer linear. So mussten die Eigenschaften der Kopie, also in diesem Fall des Parallel-Videos, wo sich die Zeit einfrieren, wiederholen, umkehren oder auch dehnen beziehungsweise stauchen lässt, berücksichtigt und eine Art Gleichberechtigung zwischen Video-Projektion und Tänzer in geschaffen werden.
Klangliche Ebene
Für das kompositorisches Konzept wurde der Audio-Loopgenerator angewandt, der auch als Zeitgeber für die Video-Loops, Loops aus den mikrofonierten Klängen formt und parallel zur Live-Verstärkung eingesetzt wird. Analog zur visuellen Rezeption, wurde als Quelle für Audioloops Geräusche und Töne der Tänzerin gewählt. Hier zeigte sich, dass das Reibe- und Atemgeräusche zu sehr den körperlichen Aspekt hervorheben würde, sodass nur auf Sekundärklänge an einer definierten Schnittstelle auf den Bodenkontakt zurückgegriffen wurde.
Dafür wurde eine nach einigen Versuchen eine Klangplatte aus Messing6. gewählt, entsprechend präpariert und adaptiert. Messing eignet sich vor allem dort, wo in Klangkörpern die akustische Energie erhalten bleiben soll und eine vom Amplitudenverlauf der Erregerposition möglichst unabhängige Klangquelle benötigt wird. Durch die Auflage am Holzboden (Dämpfung) wird ein kurzes Nachschwingen erreicht und mittels leicht erhöhter Lagerung an den Seiten scheppernde Randeffekte vermieden. Das Klangmaterial ist nicht nur sehr niederfrequent durch den Anschlag, sondern hat auch die kräftigen metallischen Klang im Mitten- und Höhenbereich. Um die Kontaktgeräusche zu verstärken wurden spezielle Eisenplättchen mittels „Tape“ an den Füßen angebracht. Nach einigen Versuchen mit Mikrofonen zeigte sich, dass der Umgebungsschall (feedback) gerade in den tiefen Frequenzen schwierig handhabbar wahr. Bei Versuchen mit einem Laservibrometer7 als Mikrofon zeigte sich, dass aufgrund von Störungen der Aufnahme durch Bodenschwingungen, welche auf das Messgerät übertragen wurden, dieses nicht stabiler Qualität einsetzbar war. Es entschieden, den Körperschall der Platte an zwei Stellen mit Kontaktmikrofonen, in diesem Fall Piezoaufnehmer der Firma Shadow, zu mikrofonieren.
Implementation
Software
Realisiert wurden diese Ideen unter Verwendung von GEM8, der am IEM entwickelten Library für 3D-Grafik und Video, und den IEM-Libraries9 mittels der grafischen Programmiersprache Pure Data10.
Dabei wurde der am IEM entwickelte Loopgenerator „Looping Tom“ mit einer parallel an der selben Computermusik-Workstation laufenden Echtzeit-Videobearbeitung über Internetprotokoll gesteuert. Die Komposition erfolgt über ein Tabellendokument, welches vom Komponisten mit bis zu 128 Parameter für jede Szene gefüllt wird. Mit diesem System wäre es auch theoretisch möglich, mehrere Echtzeit-Videobearbeitungen parallel zu steuern und damit nicht nur Mehrkanal-Audiowiedergabe, sondern auch mehrfache Videoprojektionen bei Verarbeitung mehreren Videoquellen zu realisieren.
Im Parameterdatei werden die Daten in Szenen gespeichert, wobei jede Szene einem Loop entspricht11. Im Audiobereich gab es die Möglichkeit bis zu vier Loops parallel laufen zu lassen. Im Videobereich wurde aufgrund der Verwendung von nur einen Projektor, ein paralleler Loop eingesetzt. Prinzipiell wird zwischen vier Grundtypen von Loops unterschieden, welche dann im Video-Loopgenerator entsprechend interpretiert werden:
Typus |
Art |
Video |
---|---|---|
I |
Granular |
Kleine Vorwärtsbewegungen in der Zeit wie Audio |
II |
Image |
Wiederholung analog zu Audio |
III |
Puls |
Kleine Ausschnitte, dawzischen Standbild |
IV |
Feedback |
Überlagerung von Bildern an der Loopgrenze |
Die Steuerung des Visual Loopgenerators erfolgt über das Internetprotokoll (lokales IP/UDP). Es kann jedoch Live in die Videobearbeitung eingegriffen werden und zwischen Livebild und im Computer gespeichertem Film und Standbildern gemischt werden. Alle Skalierungen und Entzerrungen des Bildes werden Live gerechnet und können an die jeweilige Aufführungssituation angepasst werden.
Die Trigger-Zeitpunkte und Loop-Dauern werden Live von der Choreographin getriggert, welche diese nach einer Videopartitur, meisten auf der Bühne neben der Tänzerin bedient. Damit kann auf die aktuelle Aufführung eingegangen werden.
Diese flexible Handhabung und Verschaltung der Teile ermöglicht eine effiziente Entwicklungs-, Probe und Aufführungssituation, da ohne viel Aufwand Eingriffe in das Stück gemacht werden können und diese Änderungen auch automatisiert und gespeichert werden.
Die Choreographie und die Klangkomposition wurde bei den Proben am IEM von Christine Gaigg mit den Loopdaten von Bernhard Lang kombiniert. Dabei wurde der Ablauf und Choreographie des Stückes auf die Tänzerin Veronika Zott, welche auf feine Koordinatenverschiebungen im Körper und exakte Bewegungen spezialisiert ist, abgestimmt. Dabei war es auch wichtig die verschiedenen Klänge der Messingplatte durch unterschiedliche Bewegungen als Audiokomposition einzubeziehen. Damit wurde in einer gemeinsamen Entwicklungsphase, auch die Software für den Visual Loopgenerator und das Klangdesign des Stückes fixiert.
Bühnensetup
Für die Aufführung wurde eine klassische Bühnensituation gewählt. Dabei war die Perspektive der Videoaufnahme entscheidend, denn es sollte eine möglichst genaue Verdoppelung der Tänzerin und Gleichwertigkeit von Video und Realität erzeugt werden. Daher wurde die Videokamera im Publikum positioniert und die Projektionsgröße auf die Körpergröße abgestimmt. Zusätzlich noch eine Videomonitoring für die Tänzerin installiert.
Die Lautsprecher wurden als 4-Kapitalanlage an den Ecken des Raumes angebracht, zusätzliche Subwoofer für die tiefen Klänge verwendet und ein Monitoring für die Tänzerin und Choreographin installiert. Die dynamischen Klänge der Pickups erforderte eine dynamische Pegelung während der Aufführung. Die Lichtverhältnis eine dynamische Mischung des Videos. Das Licht musste sowohl auf die Videoaufnahme, die gute Ausleuchtung der Tänzerin als auch auf eine unbeleuchtete Projektionsfläche abgestimmt werden.
Programm und Besetzung V-Trike in Brüssel
Uraufführung beim Festival „Pasta for tired dancer“ (30.1.-3.2.2007), kuratiert von Berno Odo Polzer, des Kaaitheater in Brüssel.
„V-TRIKE - for one dancer, metal sound plate and visual loop generator
2.Februar 2007, Kaaitheater Brüssel
Choreographie und Livetrigger an Bühne: Christine Gaigg
Komposition: Bernhard Lang
Tänzerin: Veronika Zott
Ton, Video und Liveelektronik: Winfried Ritsch, Johannes Zmölnig
Lichtdesign: Guy Peeters
Fotos und Abbildungen
1Martin
Arnold ist ein profilierter Filmemacher Österreichs im
Bereich
des strukturellen/experimentellen Kurzfilms
(http://www.r12.at/arnold/)
2Hommage à Martin Arnold 1 für Tonband (10’,U.A. Allentsteig 1996).
3TRIKE summer" (Impulstanz 2004) und "TRIKE" (Theater am Neumarkt Zürich und Tanzquartier Wien, 2005)
4Siehe auch Konzert vom 13.3.2003 am IEM im Rahmen von „Open CUBE“
5Zusammenfassung (freie Übersetzung) von Ideen von Christine Gaigg aus dem aus Katalog zum Festival „pasta for a tired dancers“ kaaitheater brüssel 2007.
6Ein Instrument aus einer Serie von Klangplatten für Installationen des Atelier Algorythmics (Winfried Ritsch)
7Berührungslose Tonabnahme mittels Laser, Polytec PTV-100
8Siehe http://gem.iem.at/
9Zusammenstellung von mehreren Bibliotheken für Pure Data, am IEM
10Software Pure Data alias PD von Miller Puckette siehe http://puredata.info/
11Siehe Dokumentation „Looping Tom“, Thomas Musil, IEM 2001
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